ANNA KASSAUTZKI

digitales

In welcher (digitalen) Welt möchten wir leben? Diese Frage stelle ich mir immer wieder als stellvertretende Vorsitzende des Digitalausschusses im deutschen Bundestag.

Ich bin mit der Digitalisierung aufgewachsen, habe den Übergang vom analogen zum digitalen Zeitalter hautnah miterlebt. Mein erstes Handy war ein Klotz, bei dem man Angst haben musste, auf den Internet-Knopf zu kommen (sonst war nämlich sofort das Guthaben leer). Wenn man zu Hause telefonieren wollte, musste man aus dem Internet raus, damit die Leitung frei wurde. Alles Dinge, die heutzutage für viele unvorstellbar sind. Wir sind immer online und die Digitalisierung beeinflusst alle Bereiche unseres Lebens. Das Internet ist mittlerweile Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge – wer am Leben und Arbeiten teilnehmen will, kann das nur noch selten komplett offline tun. Genau deswegen müssen wir in diesem Bereich massiv investieren und ihn ausbauen. Und wir müssen ihn gestalten. Mit Regeln, die Teilhabe und Chancengleichheit ermöglichen, die eine offene demokratische Gesellschaft fördern.

Die Menschheit produziert und speichert so viele Daten wie nie zuvor. Warum eigentlich? Daten sind die Grundlage sämtlicher digitaler Systeme: Versende ich eine Nachricht über mein Handy produziere ich Textdaten, bezahle ich mein Essen in der Kantine (egal ob bar oder mit Karte) produziere ich Abrechnungsdaten, schaue ich einen Film konsumiere ich Bild und Videodaten. Daten entstehen überall, sie werden geteilt, gespeichert, verarbeitet und genutzt. Vor allem werden sie genutzt um fundierte und informierte, also oft gute Entscheidungen zu treffen. Und hier liegt ihr Wert.

Dabei sind nicht alle Daten für jeden gleichermaßen interessant: Manche Daten sind von einem hohen allgemeinen gesellschaftlichen Interesse. Diese Daten sollten frei zugänglich und für die Allgemeinheit nutzbar sein. Daher hat sich die Koalition auf ein Recht auf Open Data verständigt um möglichst viele dieser gesellschaftlich relevanten Daten einer interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Diese offen zugänglichen Daten helfen uns, bessere Entscheidungen zu treffen.

Auf der anderen Seite gibt es besonders schützenswerte Daten, die wenig gesellschaftliche Relevanz haben: persönliche Daten. Diese persönlichen Daten zum Beispiel mein Alter, mein Kontostand und meine Gesundheitsdaten können genutzt werden um Entscheidungen über mich zu treffen, beispielsweise: bekommt Frau Kassautzki einen Kredit? Oder sie können genutzt werden um Entscheidungen in mir hervorzurufen, beispielsweise eine Kaufentscheidung, indem man mir personalisierte Werbung anzeigt.

In einigen Fällen sind meine persönlichen Daten in den Händen Dritter unabdingbar, um Entscheidungen zu treffen. Aber die Verwendung meiner Daten muss einem besonderen Schutz unterliegen, dem Datenschutz. Dieses Datenökosystem zu gestalten ist mir ein wichtiges Anliegen.

Wir nutzen Daten bereits heute großflächig, um Entscheidungen zu treffen. Dies geschieht häufig durch Algorithmen, also Berechnungen, die auf Basis von Daten errechnen, wie wahrscheinlich es beispielsweise ist, dass ich einen Kredit zurückzahle oder dass ich länger auf einer Website bleibe, wenn man mir süße Katzenvideos zeigt.
Problematisch sind zahlreiche Punkte, von denen ich hier drei weiter ausführe:

  1. Algorithmen sind nur so gut, wie die Daten, mit denen sie gefüttert werden.
    Sie kennen keinen Kontext der ihnen vorgelegten Daten, sie verarbeiten stupide, was wir Menschen ihnen geben. Ein Algorithmus der mit rassistischen, sexistischen, klassistischen Daten gefüttert wird, reproduziert diese Muster unter dem Deckmantel der mathematischen Objektivität. Dessen müssen wir uns bewusst sein, wenn die Entscheidungen eines algorithmischen Systems Einfluss auf Menschen haben.

  2. Algorithmen sind optimierende Systeme.
    Wenn algorithmische Systeme beispielsweise darauf optimiert sind, mich möglichst lange auf einer Plattform zu halten wird dieses System mich mit genau den Inhalten versorgen, die mich auf der Plattform halten, ungeachtet der Tatsache, ob diese Inhalte schädlich sind.

  3. Algorithmische Systeme sind intransparent.
    Häufig werden algorithmische Systeme als sogenannte Black Boxes dargestellt, als undurchsichtige Systeme, die der Mensch gar nicht verstehen kann. Diese Behauptung lenkt davon ab, dass es lediglich zeitaufwendig und unpraktisch für Anbieter wäre, mehr Transparenz bei algorithmischen Entscheidungen zu schaffen. Im Sinne von Verbraucher*innen ist diese Transparenz aber dringen geboten, um sich gegen falsche Entscheidungen auch wirksam zur Wehr zu setzen.

Das Internet basiert in seiner Grundidee auf wichtigen Grundsätzen: Austausch von Wissen und freier Zugang und Teilhabe. Die digitale Welt wie wir sie kennen baut an vielen Stellen auf Lösungen auf, die frei zugänglich im Netz zu finden sind: auf Open Source Software. Dazu gehören Betriebssysteme wie Linux, Programmiersprachen wie Python und die größte Enzyklopädie der Welt, Wikipedia. Die Förderung dieses Ökosystems liegt mir besonders am Herzen.

Computerspiele bereichern den Alltag vieler Menschen. Zum Lernen, Knobeln oder einfach nur Entspannen spielen inzwischen auch immer mehr ältere Menschen. Daher bin ich stolz, dass ich 2022 zum ersten Mal in der Jury des deutschen Computerspielepreises die besten deutschen Computerspiele auszeichnen durfte. Ich glaube, dass im gemeinsamen Spielen ein enormes Potential liegt und setze mich deswegen dafür ein, Gamesförderung und Games in Deutschland aus der „Ballerspiel“- und Nerd-Ecke zu holen. Wir spielen alle gerne! Und unsere Computer und Handys bieten eine hervorragende Möglichkeit, in diese Spiele einzutauschen.

Wenn Sie noch mehr zur Digitalpolitik der Koalition wissen möchten, hier geht’s lang!