ANNA KASSAUTZKI

Erklärung zur Abstimmung zum LNG-Terminal vor Rügen

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Anna Kassautzki

Folgende Erklärung habe ich zur Abstimmung am 7.7.2023 beim Bundestag eingereicht:

Erklärung zur Abstimmung gem. §31 I GO-BT am 07.07.2023 zur namentlichen Abstimmung zu ZP 10: 2./3. Les. Reg.-Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des LNG-Beschleunigungsgesetzes und des Energiewirtschaftsgesetzes

Seit Januar 2023 bestimmt die Debatte um ein mögliches LNG-Terminal vor oder auf Rügen die gesellschaftliche Debatte auf Rügen und darüber hinaus. Was seitdem passiert ist, bewegt uns alle vor Ort wie kaum ein anderes Thema.
 
Von Beginn an habe ich, genauso wie die Menschen auf Rügen, eins klar gemacht: Niemand versperrt sich vor der Solidarität mit dem Rest der Bundesrepublik und auch nicht mit Osteuropa. Die Energieversorgungssicherheit ist von hoher Wichtigkeit, gerade nach den Erfahrungen der hohen Energiepreise und der Versorgungsunsicherheit infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.
 
Die Menschen auf Rügen waren immer bereit zu helfen, aber sie sorgen sich auch um ihr Zuhause. Sie sorgen sich darum, welche Folgen dieser Eingriff in den Natur-, Umwelt- und Lebensraum auf Rügen und vor der Küste in der Ostsee hat. Sie sorgen sich um die einmalige Natur auf und vor ihrer Insel und um die Zukunft einer Region, die im Wesentlichen vom Tourismus lebt. Rügen ist eine ostdeutsche Erfolgsgeschichte, mit mehr Übernachtungen pro Jahr als die Insel Sylt. Die Menschen hier haben in den letzten 30 Jahren Großes bewegt und sich in schweren Zeiten eine Existenz aufgebaut. Um diese haben sie nun nachvollziehbarerweise Angst.
 
Diese Angst wurde von Beginn an kommuniziert, sie wurde immer vermittelt. Ob auf Demonstrationen, auf Podiumsdiskussionen oder durch eine Petition. Gemeinsam mit Vertretern der Landesregierung hatte ich einen regelmäßigen Austausch mit den Kommunalpolitischen Verantwortungsträgern auf der Insel und habe die Fragen und Ängste nach und in Berlin kommuniziert.
 
Alle Fragen, die gestellt wurden – ob es der tatsächliche Bedarf an den geschaffenen oder zu schaffenden Kapazitäten ist, ob es die möglichen Auswirkungen auf den Natur- und Umweltraum oder auch nur die möglichen Emissionen sind – konnten seit Januar 2023 in meinen Augen nicht ausreichend beantwortet werden. Dass es in diesen sechs Monaten – trotz intensiver gemeinsamer Bemühungen zusammen mit der Landesregierung und den Menschen auf der Insel Rügen, eines Besuchs des Bundeskanzlers und dank dessen Aufforderung auch des Bundeswirtschaftsministers zu einem Termin auf der Insel Rügen und mehrerer Vor-Ort Termine mit dem Ostbeauftragten der Bundesregierung – nie möglich war gesellschaftliche Akzeptanz oder ein anderes Vorgehen und ein Miteinander auf Augenhöhe zu finden, finde ich sehr bedauerlich.
 
Sogar mir als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter ist immer noch nicht klar dargelegt worden, ob dieser Bedarf tatsächlich besteht. Gutachten, bspw. des DIWs und des EWIs kommen zu dem Schluss, dass diese Kapazitäten nicht gebraucht werden. In meinen Augen besteht die reale Gefahr, dass wir uns weiter an fossile Energieträger binden und damit neue Lock-In Effekte und Abhängigkeiten schaffen. Weiterhin sind die Auswirkungen dieses Vorhabens auf den Natur- und Umweltraum nicht absehbar. Wir reden an Land und vor allem auch im Wasser über hoch sensible und durch den Klimawandel ohnehin schwer belastete Ökosysteme. Der Greifswalder Bodden ist die Kinderstube des Herings in der westlichen Ostsee und dadurch besonders schutzbedürftig. Ob und wie eine Umweltverträglichkeitsprüfung trotz beschleunigtem Verfahren sichergestellt werden kann, ist unklar. Dass all diese Fragen noch offen sind und vor allem den Menschen vor Ort nicht beantwortet werden können, lässt mich nach sechs Monaten immer noch fassungslos zurück.
 
Die Menschen auf Rügen sind immer bereit ihren Beitrag zu leisten, das haben sie oft gezeigt. Genauso bin ich immer bereit, solidarisch mit dem Rest der BRD und auch Osteuropa zu sein.
 
Dennoch braucht es auch Solidarität mit den Menschen auf der Insel Rügen. Es braucht die Antworten auf diese brennenden Fragen.
 
Da es diese aber nicht in befriedigender Form gibt, kann ich, trotz aller berechtigten Sorgen um die Energieversorgung in Deutschland und Europa, dieser Novelle des LNGG nicht zustimmen.